Burnout bei Müttern ist leider keine Seltenheit. Immer mehr Mütter zerreißen sich zwischen Familie, Job und Haushalt.
Meine Freundin Katharina (39) lebt mit ihrem Mann Daniel (43) und ihren drei Kindern Max (14), Jacob (12) und Emma (7) in Berlin. Dort arbeitet sie bei einem bekannten Modelabel. Eigentlich hat sie ein perfektes Vorzeige-Leben. Trotzdem ging vor vier Jahren plötzlich gar nichts mehr. Da war nur noch Erschöpfung. Wie sie ihr Leben im Anschluss geändert hat, das erzählt sie uns.
WIE HAST DU GEMERKT, DASS ETWAS NICHT STIMMT?
Der Burnout kam vor vier Jahren. Damals waren die Jungs neun und sieben Jahre alt und meine Tochter war drei. Ich habe außerdem noch 25 Stunden in der Woche gearbeitet. Mein Mann Daniel ist Musiker und war streckenweise Wochenlang nicht zuhause. Das war zu viel. Irgendwann habe ich nur noch geheult: Im Auto, beim Abholen der Kinder. Beim Kochen am Herd. Morgens beim Duschen. Ich war permanent gereizt und habe alle nur noch angeschrien – besonders die Kinder. Bei der Arbeit habe ich funktioniert und auch bei Freunden war ich lieb und nett – aber zuhause konnte ich nicht mehr.
Ich hatte Schlafstörungen. Nachts haben sich die Gedanken in meinem Kopf gedreht. Ich hatte Gewissensbisse wegen der Kinder, fand mich unzureichend im Job und als Frau: Was bin ich für eine Mutter, die nur noch schreit? Weshalb ist meine Kollegin befördert worden und nicht ich? Warum schaffe ich es nicht, zuhause Ordnung zu halten oder fünf Kilo abzunehmen? Irgendwann kam dann auch noch das Herz-Rasen dazu, insbesondere in stressigen Situationen, da waren die Symptome so schlimm, dass ich dachte, ich falle gleich um. Dazu kam eine schlimme Antriebslosigkeit. Hätte ich nicht wegen Job und Kindern morgens aufstehen müssen, wäre ich nicht mehr aus dem Bett gekommen. Mir vor der Arbeit die Haare waschen, mich anziehen und schminken – fast unmöglich.
GAB ES EINE SCHLÜSSELSITUATION, DIE DIR GEZEIGT HAT, DASS DU ETWAS ÄNDERN MUSST?
Es hat lange gedauert, bis ich mir Hilfe geholt habe. Ich habe mich geschämt, hatte das Gefühl, als Mutter und Frau versagt zu haben. Irgendwann war die Situation Zuhause aber so schlimm, dass ich Angst davor hatte, komplett auszurasten und meinen Kindern, meinem Mann Daniel oder mir selbst etwas anzutun. Ich weiß, das klingt krass. Es war aber genauso. Den Anstoß, mir Hilfe zu holen, hat dann Daniel gegeben, der mich gedrängt hat, zu unserem Hausarzt zu gehen. Zum Glück.
Beim Hausarzt habe ich nur noch geheult. Ich konnte kaum sprechen, so schlimm war das. Er hat mich sofort krankgeschrieben und mir eine dreiwöchige Mutter-Kur empfohlen. Ohne die Kinder, einfach nur Zeit für mich. Das habe ich am Anfang gar nicht gewollt. Ich hatte Angst, dass Daniel und die Kinder nicht ohne mich zurechtkommen. Habe mir Gedanken um Kleinigkeiten wie das Abendessen und die Wäsche gemacht und angefangen, Daniel Zettel zu allen Themen zu schreiben. Im Nachhinein totaler Quatsch. Ich bin trotz meiner Bedenken gefahren – in die St. Marien-Klink im Allgäu.
WAS HAST DU IN DER MUTTER-KUR GEMACHT?
Ich bin am Wochenende in der Klink angekommen und da finden keine Seminare statt. Das war echt schlimm für mich. Ich kannte ja keinen und wusste nichts mit mir und der freien Zeit anzufangen. Ich saß also in meinem Zimmer und habe erst einmal geheult. Dann habe ich angefangen zu lesen, eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben, von Freitag bis Sonntag drei Bücher. Das hat gut getan. Nach dem Wochenende ging es dann los mit einem gesundheitlichen Check, dem Besuch bei einem Psychologen und Anwendungen nach einem Wochen-Plan: Massagen, Wandern in den Bergen, Yoga, Gymnastik und Basteln standen auf dem Programm. Sport ist einer der Schwerpunkte der Kur. Und natürlich das Erleben der herrlichen Natur.
Dazu kam eine psychologische Betreuung mit Einzel- und Gruppengesprächen. Geholfen hat mir beides. Im Gruppengespräch habe ich gemerkt, dass es vielen Frauen geht wie mir. Das hat gut getan. Im Einzelgespräch ging es dann um das Lösen der individuellen Probleme. Fasziniert hat mich dabei vor allem eine Familienaufstellung, bei der ich mit verschieden geformten Holzklötzen erst mich, dann meinen Mann, meine Kinder und meine Eltern aufstellen sollte. Das kam mir total bescheuert vor, hat aber auf einen Schlag alle meine Probleme sichtbar gemacht: Der Klotz, den ich für mich gewählt hatte, war ganz klein. Meine Mutter stand direkt hinter mir. Daniel war ganz groß. Unsere Kinder standen nah bei mir aber nicht bei Daniel. Alles war plötzlich greifbar und konnte thematisiert werden. Besonders das Verhältnis zu meiner eigenen Mutter, die mir viele Jahre förmlich im Nacken gesessen hat. Geholfen hat, neben Gesprächen, dass ich in der Therapie eine Mauer aus Holzklötzchen zwischen mich und meine Mutter gebaut habe. Ich weiß, das klingt verrückt, aber ich habe die Mauer sofort gespürt. Ich habe mich befreit gefühlt.
WAS HAT ZU DEM BURNOUT GEFÜHRT?
Ich habe mich über Jahre hinweg überfordert gefühlt. Das war schlimm. Aber letztendlich war das nicht der Auslöser. Das ist mir erst in der Kur klar geworden. Der Auslöser lag viel tiefer: Ich habe mir als Kind einmal geschworen, die perfekte Mutter für meine Kinder zu sein. Anders als meine eigene Mutter, die als erfolgreiche Stylistin kaum Zeit für mich hatte. Für meine Kinder wollte ich das unbedingt anders machen. Dabei habe ich mich förmlich zerrissen. Ich hatte zum Beispiel als Kind nie ein warmes Mittagessen, deshalb habe ich für meine Kinder immer gekocht – egal, wie stressig mein Tag war oder wie es mir ging. Dazu habe ich Kuchen für alle Kindergarten-, Schul- und Sportfeste gebacken, am liebsten aufwändige Torten. Auch für Daniel wollte ich die perfekte Frau sein: liebevoll, gut gelaunt und sexy. Und im Job ebenso erfolgreich wie meine Mutter. Alles, ohne dabei an mich und meine Kraftreserven zu denken.
WAS MACHST DU IN DEINEM LEBEN HEUTE ANDERS?
Ich arbeite noch immer viel und meine Familie nimmt auch noch immer einen großen Teil meiner „Freizeit“ ein. Aber ich erkenne meine Grenzen und denke auch mal an mich. Manchmal kommt die Erschöpfung wieder, dann gönne ich mir Ruhepausen. Egal, ob die Situation es zulässt, oder nicht. Das bedeutet auch, öfter mal nein zu den Wünschen anderer zu sagen. Das musste ich erst lernen. Je öfter ich es tue, desto besser klappt es aber.
Aus der Kur mitgenommen habe ich außerdem, dass es wertvoller ist, jeden Tag 10 Minuten mit den Kindern ein Bild zu Malen oder Memory zu spielen, als sich permanent aufzuopfern und die tollsten Sachen auf die Beine zu stellen. Es sind die kleinen Dinge, die uns glücklich machen. Eine Erkenntnis, die mich extrem entlastet hat – zeitlich und emotional.
Ich gönne mir jetzt jeden Tag eine halbe Stunde nur für mich. Diese halbe Stunde ist heilig und wird auch mittlerweile von den Kindern akzeptiert. Dazu halte im Alltag immer mal wieder inne, um mich zu fragen, wie es mir gerade geht. Habe ich wirklich heute Abend noch Kraft, einen Kuchen für den Schulausflug zu backen oder eher nicht? Dann reichen auch ein paar gekaufte Kekse und ein Kuss zum Abschied. Das weiß ich jetzt.
NÜTZLICHE INFOS ZUM THEMA BURNOUT:
DINGE, DIE GUT TUN, WENN ALLES ZU VIEL WIRD
1. Schaff dir Freiräume im Alltag und lass auch mal Dinge liegen: Das Kinderzimmer ist total chaotisch? Die Spülmaschine nicht ausgeräumt? Morgen ist auch noch ein Tag.
2. Sag auch mal nein zu den Wünschen Anderer: „Ich kann mich diese Woche leider nicht mit dir treffen. Ich bin total kaputt. Lass uns das nächste Woche machen.“ oder „Mama ist müde und muss sich ein bisschen ausruhen. Deshalb können wir jetzt nicht spielen. Kuschel dich zu mir und lies ein Buch.“ Aussagen, mit denen jeder gut leben kann, selbst kleine Kinder. Und übrigens: Für die Entwicklung eines Kindes ist es sogar wichtig, zu lernen, mit Frust umzugehen. Ein nein ist also kein Beinbruch.
3. Versuch nicht, perfekt zu sein. Denn das klappt eh nicht. Und eine perfekte Mutter braucht ein Kind auch nicht. Viel günstiger ist es, realistische Ansprüche an sich selbst zu haben und die Dinge großzügig für sich zu beurteilen. Denn: Auch wenn ich manchmal Dinge falsch mache, bin ich ein wertvoller Mensch und eine tolle Mutter.
4. Setzt die negative Brille ab. Denn wie wir die Welt betrachten, so fühlt sie sich auch an. Sag dir lieber abends im Bett, was heute gut gelaufen ist, als darüber zu grübeln, was nicht so toll war.
5. Überdenk dein Zeitmanagement. Gibt es Dinge, die du abgeben kannst? Dann hol dir Hilfe! Auch dein Mann ist in der Lage, die Kinder zu betreuen oder Essen zu kochen. Und ein kinderfreies Wochenende, an dem die Kleinen Oma und Opa besuchen und die Eltern einfach mal wieder nix tun, ist für alle ein Highlight.
EINE KUR BEANTRAGEN
Voraussetzung für eine Mutter-Kur ist ein ärztliches Attest. Der erste Schritt zur Kur ist also der Besuch beim Hausarzt. Zusammen mit dem Arzt wird die Kur bei der Krankenkasse beantragt, die die Kosten trägt. Die Kur ist kein Urlaub. Deshalb wird man krankgeschrieben und muss keinen Urlaub beim Arbeitgeber einreichen. Für den Antrag bei der Krankenkasse werden folgende Unterlagen benötigt: Ausgefüllter Antragsbogen, Attest vom Hausarzt, Selbstauskunft. Tipp: Die Problemlage in der Selbstauskunft möglichst genau und präzise beschreiben und offen sagen, wie verzweifelt man ist. Nur bei ehrlicher Beantwortung genehmigt die Kasse die Kur. Bei der Krankenkasse können Wünsche angegeben werden, wo die Kur gemacht werden soll. Und übrigens: Es gibt auch Kuren für Väter in Erziehungsverantwortung.
AMBULANTE HILFE FÜR BURNOUT BEI MÜTTERN
Es gibt auch ambulante Hilfe. In Hamburg zum Beispiel bei der Falkenried Prävention oder im
UKE.
BUCHTIPPS BURNOUT BEI MÜTTER
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Familie und Beruf: Schluss mit dem Spagat. Wie Sie aufhören, sich zwischen Familie und Beruf zu zerreißen.
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